Wappen Ehringshausen

Gespräch en de gout Stobb

 

Volles Haus „en de gout Stobb“ im Treffpunkt Bahnhofstraße 31

 

Ehringshausen im Wandel der Zeit

 

Zu einer Zeitreise hatte Willi Gombert eingeladen und viele Ehringshäuser fühlten sich angesprochen. Die „gout Stobb“ war sehr gut besucht und die vorsorglich in Reihen aufgestellten 60 Stühle reichten gerade so aus, um den interessierten Gästen alle einen Sitzplatz zu bieten.

 

Diesmal hatte Willi Gombert eine spezielle Bildersammlung zusammengestellt, die Geschäfte, Handwerksbetriebe, Firmen und auch Straßenzüge aus früherer Zeit zeigte. In seinem Vortrag erinnerte er an historische Geschäfte und Firmen und ließ mit Bildern die Vergangenheit wiederaufleben. In alphabetischer Reihenfolge stellte er die unterschiedlichsten Berufsgruppen vor, erzählte von teilweise in Vergessenheit geratenen Handwerkern und Unternehmen und stellte den Fotos von damals die heute aktuellen Ansichten gegenüber.

 

Den Gasemad und die Bahnhofstraße konnte man früher als Dreh- und Angelpunkt im dörflichen Wesen bezeichnen. Die Kreuzung zur Wetzlarer Straße hat inzwischen total ihr Gesicht verändert und die alten Ansichten waren kaum wiederzuerkennen. Das Friseurgeschäft Huttel, die frühere Bäckerei Becker, später und bis heute die Bäckerei Redhardt, und gegenüber dem Gasemad mit dem alten Brunnen, der ehemalige Konsum als Lebensmittelgeschäft, daneben die Alte Apotheke, die leider Ende 2017 auch geschlossen hat.

 

Auf der anderen Seite befand sich im heutigen Reisebüro das Friseurgeschäft Heinrich Gladen. Daneben war das Bild vom alten Konsum zu sehen, das in den 1950iger Jahren abgerissen wurde und im Neubau das Textilgeschäft Schmaus-Groß aufnahm. Heute befindet sich in diesem Eckhaus Wetzlarer Straße / Bahnhofstraße das Friseurstudio „Haarscharf“.

 

Während die in alten Bildern noch sichtbaren Engpässe der Wetzlarer Straße in den 1950iger und 1960iger Jahren für den heutigen Verkehr beseitigt wurden, blieb die Bahnhofstraße unverändert. Hier haben sich aber die Geschäftshäuser im Laufe der Zeit sehr verwandelt. Willi Gombert gab mit einem Bild von ca. 1880 ein Rätsel auf, um welches Geschäft es sich hier wohl handele. Es wurde kaum erkannt. Erst Bilder von der weiteren Entwicklung des Geschäftes Polsterei und Sattlerei von Firmengründer Christian Cromm erkannten die Besucher das heutige Geschäft der Raumausstattung von Karl-Heinz Cromm in der 4. Generation in der Bahnhofstraße. Das Foto von der Auslieferung einer Couch auf der offenen Ladepritsche eines 3-radigen Kleintransporters brachte die Leute zum Schmunzeln.

 

In der unteren Bahnhofstraße konnten die Besucher anhand der Bilder die Entwicklung des Schuhgeschäftes Groß verfolgen. Es wurde 1904 von Wilhelm Groß gegründet und hatte anfangs nur ein kleines Schaufenster. Im Laufe der Zeit wurden die Geschäftsräume von Paul Groß und von Schwiegersohn Willi Mehl deutlich erweitert und bis 2006 geführt. Danach befand sich hier eine Verkaufsstelle einer Bäckerei und kurzzeitig eine Fahrschule in den Räumen. Ab November 2018 ist hier das Blumenstudio von Olga Merkel.

 

Völlig verändert hat sich der Gebäudekomplex vom ehemaligen Bankverein, jetzt Volksbank und gegenüber das ehemalige Anwesen der Molkerei Anschütz, wo früher die Milch angeliefert wurde und Frischmilch an einer Zapfstelle in Milchkannen abgefüllt wurde. In einem gelungenen Um- und Erweiterungsbau befindet sich heute hier der Elektro- und TV-Handel von Joachim Klotz.

 

Vom Anstreicher, den Ärzten, den Bäckereien, über den Eisenwarenhandel, vom Friseur über die verschiedenen Metzgereien und vom Schmied, von Textilgeschäften bis zur Ziegelei wurde der Bogen geschlagen. Die verschiedenen Mühlen wurden benannt, an die Steinmühle in Dillheim als ältestes urkundlich erwähnte Gebäude erinnert und der Verlauf des Mühlgrabens erläutert.

 

Die wohlverdiente Pause zwischendurch nutzte Willi Gombert nicht etwa dazu, seine Stimme zu schonen, sondern brachte sein Publikum mit einem amüsanten Vortrag über das Wörtchen „ebbes“ zum Schmunzeln, Nachdenken und Lachen.

 

Nach dem Bau der Eisenbahnlinie durch das Dilltal wurde Ehringshausen für die Holzindustrie interessant. Es entstanden bis 1890 fünf Sägewerke, damals auch Schneidmühlen genannt. Am Beispiel der Fa. Weimer wurde geschildert, wie seinerzeit in der heutigen Poststraße der erste Dampfkessel aufgestellt und ein Sägewerk mit einer mechanischen Schreinerei in Betrieb genommen wurde. Kurze Zeit später kam eine Dreschmaschine dazu. Schon bald reichte der Platz nicht mehr aus, es wurde neu gebaut und ein Elektrizitätswerk kam dazu. Die ausführliche Geschichte der Fa. Weimer durch Krieg, Inflation und Konkurs kann auch im aktuellen Seniorenjournal, Ausgabe Januar 2020, nachgelesen werden.

 

Willi Gombert erinnerte an die Anfangszeit der heute international tätigen Küster-Gruppe, als Wilhelm Küster mit Hilfe seiner beiden Brüder die Produktion mit einer Drahtflechtmaschine und Drahtverschlussautomaten begann und Anfang 1932 in Ehringshausen ein neues Werksgebäude errichtete. Schon 1936 wurde auf die Bedürfnisse der KFZ-Industrie reagiert, die Seilerei ausgebaut und damit die Fertigung von Bremsseilen und Betätigungszügen ermöglicht. In mehreren Luftbildern konnten die Besucher die Entwicklung der Firma Küster bis heute verfolgen.

 

Es folgten Ansichten vom Busunternehmen und Tankstelle Arnold, das spätere Autohaus Succo, das von 1959 bis 1971 die Esso-Tankstelle mit einer Kfz-Werkstatt in der Wetzlarer Straße betrieb und in den 1960iger Jahren das Auto „Lloyd – Der Wagen für Dich“ den Kunden anpries. Beim Wiedererkennen von Personen und Fahrzeugmodellen wurde lebhaft diskutiert und besonders amüsierte die Frage: Was macht ein Pferd an der Tankstelle? Aber hier wurde nicht der interessiert ein Mofa beäugende Vierbeiner betankt sondern die angehängte mobile Mähmaschine. Das war ein origineller Hingucker und Danke an Heidi Succo für ihre zur Verfügung gestellten Fotos. Später übernahmen „Lehmann und Oberst“ die Tankstelle und den Kfz-Betrieb. Heute ist hier der Kfz-Meisterbetrieb Atta & Brück ansässig.

 

 

 

Nach dem Ende der Präsentation entwickelten sich noch etliche Unterhaltungen über das Gesehene und wieder in Erinnerung gerufene. Der 1. Vorsitzende Wilfried Faber bedankte sich zum Schluss bei Willi Gombert für diesen kurzweiligen Bilderabend und die vielen Informationen über das frühere und das heutige dörfliche Handwerk und Geschäftswesen.

 

Text: Brigitte Westerhausen und Willi Gombert

Bilder: Heidi Succo und Willi Gombert

 

 

 

 

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